„Wir waren ein Zentrum der Arbeiterklasse“
Michael Renner und Reinhard „Pfeffi“ Ständer über das Schicksal der ostdeutschen Kulturhäuser
In der Planwirtschaft war der Kulturbereich — wie auch oftmals die Kindertagesstätten und gewisse Sportangebote — den Kombinaten oder landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften (LPG) zugeordnet. In den über 2000 Kulturhäusern, Arbeiterclubs, Jugendclubs und Kulturpalästen der DDR hatten viele Künstler*innen ihre Proberäume und fanden Auftrittsmöglichkeiten vor. Die Häuser wurden großzügig querfinanziert, wobei allerdings das Kulturangebot mit den FDJ-Funktionär*innen stets abgestimmt werden musste. Auch das MfS überwachte beispielsweise bei Rockkonzerten die Jugendlichen und junge Erwachsenen in ihrer Freizeit.
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Als einer ihrer ersten Schritte spaltete die Treuhandanstalt die Kulturhäuser von den Kombinaten ab, wodurch sich die Frage der Finanzierung der Häuser völlig neu stellte. Da in Zeiten der Betriebsabwicklungen, Massenarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit in Ostdeutschland oft keine neuen Finanzierungsquellen gefunden werden konnten, mussten viele Kulturhäuser schließen und sind heute oft verfallen.
In Hoyerswerda befand sich mit dem „Haus der Berg- und Energiearbeiter“ eines der größten Kulturhäuser der DDR, mit seinen 828 Sitzplätzen sollte es für die Freizeit der Arbeiter*innen des Gaskombinats Schwarze Pumpe der kulturelle Veranstaltungsort sein. Bekanntester Mitarbeiter des Kombinats war der Liedermacher Gerhard Gundermann, der noch bis zur Schließung des Tagebaus 1997 als Baggerfahrer arbeitete. In seinen Texten verarbeitete er die soziale und ökologische Krise insbesondere der Lausitz, wobei er seiner Wahlheimat mit „Hoy Woy“ ein musikalisches Denkmal schuf.
Michael Renner hatte in den 1990er Jahren die schwierige Aufgabe das „Haus der Berg- und Energiearbeiter“ nach den Prinzipien der Marktwirtschaft umzugestalten, ein Prozess der seinen eigenen Worten nach viel „Blut, Schweiß und Tränen“ gekostet hat. Hatte das Kulturhaus 1989 noch 125 Angestellte, musste Renner bis auf 16 Mitarbeiter*innen bis Ende der 1990er fast alle entlassen. Im Gegensatz zu den meisten anderen ehemaligen Kulturhäusern konnte sich die 1990 umbenannte „Lausitzhalle“ aber im kapitalistischen Wettbewerb beweisen und musste nie schließen.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer war bis zum 03. Oktober 1990 zuständig für die Jugendclubarbeit in der Region Hoyerswerda, welche für den DDR-Staat besonders wichtig war. Einerseits wollte man die Jugend besonders für das Regime gewinnen, anderseits wollte man durch die enge Kontrolle der Jugendarbeit jegliche subjektive Entwicklungen früh unterbinden können. Mit der deutschen Einheit verlor Ständer seine Arbeit und musste sich wie viele Bewohner*innen Hoyerswerdas mit „Arbeitsbeschaffungsmassnahmen“ (ABM) durchschlagen. Als Tiefpunkt seines Arbeitslebens schildert Pfeffi allerdings dann tatsächlich die Auswirkungen der neoliberalen Agendapolitik unter Rot-Grün in den frühen 2000er Jahren. Heute leitet Pfeffi als Rentner ehrenamtlich das Gundermann-Archiv in der Kulturfabrik Hoyerswerdas.
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